Wie Renderings und Visualisierungen konzipiert werden: „Niemals dunkle Ecken“

By Jörg Viola / 20. Oktober 2010
visualtektur showreel

3D-Visualisierungen werden in der Architektur immer selbstverständlicher. Renderings von zukünftigen Gebäuden haben die zweidimensionalen Zeichnungen abgelöst – was manch einen Architekt mit Wehmut erfüllen mag, da die gezeichneten Gebäude-Modelle einen eigenen künstlerischen Charakter haben und manchmal sogar vom Stil her auf das Architektur-Büro schließen lassen. Doch auch Gebäude-Visualisierungen sind individuell und künstlerisch. Nun gibt es endlich ein Buch über die Kunst der computerbasierten Visualisierungen.


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Meist präsentieren sich Eigenheim-Siedlungen, Einkaufszentren und Bürotürme in strahlendem Licht, bevölkert von schlanken Büroangestellten, eleganten Shopping-Damen, eingehakten Paaren und/ oder fröhlich spielenden Kindern. Renderings gehorchen vielen Gesetzen aus der Wirtschafts-Psychologie: keine dunklen Ecken; immer warmes Licht, keine gräulich-bläulichen Töne. Möbel in 3D-visualisierten Wohnungen sind stets etwa 20 Prozent teurer als die, die sich zukünftige Bewohner wahrscheinlich leisten können. Menschen sind immer friedlich, motiviert, gut gekleidet und ansprechend.

Der Zürcher Kulturwissenschaftler Tobias Scheidegger hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Flanieren in ArCAADia.“ Digitale Architekturvisualisierungen – Analyse einer unbeachteten Bildgattung. In dieser Untersuchung, die sich intensiv mit dem Thema der computergenerierten Architekturvisualisierungen auseinandersetzt, erfasst Scheidegger die kulturwissenschaftliche Perspektive der Visualsierungskunst.

Der Leser erfährt die Hintergründe der Gestaltung, die weit mehr transportiert als bloße Informationen über geplante Bauvorhaben. Digitale Bildwelten spiegeln Tendenzen gegenwärtiger Stadtpolitik wider, so wie sie sich im Begriff der „Urbanität“ ausdrücken.

Die kulturwissenschatliche Untersuchung lotet die Visual Culture des „Urbanen“ aus. In Interviews mit Bildproduzenten und Bildanalysen erläutert Scheidegger eine Phänomenologie der Visualisierungen. Er beschreibt Bilder als visuelle Machtmittel, welche den Betrachter gezielt mobilisieren. Im zweiten Teil des Buches werden Raumpolitiker bei ihrem Streifzug durch die digitale Idealstadt „ArCAADia“ begleitet, dem Durchwandern der neuen Quartiere in Zürich Nord und Oberwinterthur.

Das Buch ist ein passendes Weihnachtsgeschenk für Architekten, die sich für Kunst und Hintergründe der Architekturvisualisierung interessieren, für gesellschaftspolitische und verkaufspsychologische Aspekte, die auch in sprachlichen Begriffe der computeranimierten Bildgattung einfließen. Da wird etwa eine Einkaufspassage zur „Begegnungszone“ – die Sprache ist eine Mischung aus ehemals „linker“ Rhetorik und neoliberalem Verwertungsvokabular.

Tobias Scheidegger: Flanieren in ArCAADia. Digitale Architekturvisualisierungen – Analyse einer unbeachteten Bildgattung.
Zürich 2009. 157 S., 21 teilw. farbige Abb.  ISBN 978-3-908784-08-1. CHF 36.- /€ 24.00 (download Bestellschein pdf)

Quelle: Wochenzeitung Schweiz: http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2010/nr41/Sachbuch/19893.html

Quelle: Show Reel Video von visualtektur. http://visualisierung-von-architektur.de/3d-animation.html