„Am Ende ist alles nur Geometrie“

By Jörg Viola / 16. Mai 2014

Ist es einem 3D-Artist bereits in die Wiege gelegt, dass er sich mit der dritten Dimension beschäftigt? Christian Dallinger hat sich schon immer für Computer interessiert und ist als Experte bei der 3D-Union registriert. Wie wurde der 3D-Artist aus Ennsbach in Österreich zu dem, was er heute ist?

Hallo Christian, Du bist Mitglied in der 3D-Union.com und hast Dir als 3D-Experte ein Profil angelegt. Was hat Dich zu diesem Schritt bewogen und was erwartest Du von der 3D-Union?Forest

Da ich Visualtektur nun schon eine Weile kenne und auch das eine oder andere Projekt mit Visualtektur abgewickelt habe, war ich natürlich an dieser neuen Plattform interessiert und auch neugierig. Der Vorteil einer Online-Präsenz ist natürlich, dass man sich dadurch den Schritt der Kundenakquise größtenteils spart, da der Kunde in diesem Fall selbst auf einen zukommt. Das ist sehr angenehm, da man ja bekanntlicherweise mit der Abwicklung und Erstellung eines Projektes selbst schon zeitlich genug ausgelastet ist.

Ein 3D-Experte ist ja noch kein offiziell anerkannter Beruf. Wie sieht Dein beruflicher und persönlicher Werdegang aus? Wie wurdest Du zu einem 3D-Spezialisten und was genau ist Dein Spezialgebiet?

Da ich schon als Kind von Computern extrem fasziniert war, fängt meine Geschichte mit dem Commodore 64 an. Auf dem Brotkasten habe ich erste Programmier-Erfahrungen sammeln können und ließ keine Ausgabe der 64er aus. Später kam der Amiga und ich war von den Demos sehr beeindruckt. Ebenso von Deluxe Paint. Mein erster Amiga war ein Amiga 1000. Zu dieser Zeit öffnete auch ein Computershop in meiner Stadt, welcher zuerst Amigas und später auch Silicon Graphics Maschinen verkaufte.

Ich hatte inzwischen eine Lehre in einem metallverarbeitenden Betrieb begonnen, sparte aber mein verdientes Geld, um mir einen Amiga 2000 leisten zu können. Ich war fast täglich in diesem Computershop und kam dort zum ersten Mal auch mit Imagine und somit 3D in Kontakt. Später kamen dann die Silicon Graphics Maschinen Indy und Onyx, was der absolute Wahnsinn war. Leider auch vom Kostenpunkt.

Da ich 3D extrem interessant fand und absolut fasziniert davon war, beschloss ich es zu lernen. Das war um 1997, mit 3D Studio Max v2.0. Sechs Jahre später ging ich nach Wien an die SAE um das „Digital Animation Diploma“ zu absolvieren. Dort kam ich zum ersten Mal mit Softimage XSI in Berührung. Ich kannte Softimage 3D zwar schon von den Silicon Graphics Maschinen, doch war das damals eine ganz andere Liga und unerreichbar.

Es war „Liebe auf den ersten Blick“ und nicht vergleichbar mit anderen 3D Paketen. Ich blieb danach noch ein paar Jahre in Wien und machte mich letztendlich selbstständig.

Meine Erfahrungen in der metallverarbeitenden Industrie kommen mir in Verbindung mit 3D auch heute noch in vielen Projekten zugute. Da ich inzwischen schon sehr lange modelliere, ist es mir inzwischen ziemlich egal WAS ich modelliere. Am Ende ist alles nur Geometrie. Egal welche Formen man kreiert.

Auf welche berufliche Leistung (großes Projekt, gewonnener Wettbewerb, enger Termin, weltweite Veröffentlichung…) bist Du besonders stolz? Warum?

Also ein großes Projekt war das Modellieren, Ausleuchten und Rendern des Wiener Flughafens „Skylink“ für eine interaktive Schulungs-DVD zur Einschulung der Mitarbeiter. Mein Part war es in nur drei Monaten den kompletten Flughafen auszuleuchten, Materialien zu erstellen, zu vergeben und davon 180.000 Frames zu rendern. Das wären ca. 1,7 Jahre Renderzeit mit Global Illumination, Reflections und Refractions gewesen. Ich arbeitete deshalb schon im Vorfeld eine Pipeline aus, um dessen Herr  zu werden.

TeakitchenDer gesamte Flughafen wurde zerlegt und Objekte wurden materialweise zusammengefasst. Diese Gruppen wurden dann in 8-10k große Texturen gebaked. Um RAM zu sparen, verwendete ich ein Plug-In namens „Wavgen“, welches ECW Wavelet Files liest, welche extrem stark komprimiert werden können. Es liest quasi „at render time“ nur die gerade benötigten Texturinformationen und gibt dann den RAM wieder frei. Man kann somit riesige Texturen rendern ohne den RAM anzufüllen.

Ich ging dann sogar noch einen Schritt weiter und erstellte eine RAM-Disk mit den gesamten Texturen des Flughafens, um die Harddisks zu schonen und den Zugriff weiter zu beschleunigen.

Wie stellst Du Dir unsere Welt in 20 Jahren vor und warum sind 3D-Experten, wie Du einer bist, in Zukunft unverzichtbar?

Gute Frage. Hoffentlich eine Lösung des Energieproblems durch Kernfusion (ITER Tokamak). Batterien die Elektroautos wirtschaftlich machen (Lithium Air Batterien). Ein Ende der Wirtschaftskrise, um Menschen mit Skills wieder anständig entlohnen zu können. Haha.

Naja, aber wieder zurück zum Thema. Da ja schon heute zum Beispiel die Grafik-Qualität (leider nicht die Spiele-Qualität) und der Umfang von Computerspielen immer besser und detaillierter werden, schnellen natürlich auch die Produktionszeiten für Content in unermessliche Höhen. Und da sich hochqualitative Inhalte nicht von selbst erstellen, abgesehen von prozeduralen Lösungen, bedarf es Artist, die diese erstellen. Man mag zwar die Arbeitsaufwandszeiten mit besseren Tools und Programmen verkürzen können, aber den kreativen Part wird eine Maschine so schnell nicht übernehmen können.

Bleiben wir noch kurz in der Zukunft. Wie stellst Du dir die Arbeitsweise der Menschen in einer Welt vor, in der in vielen Wohnzimmern, Büros und Firmen 3D-Drucker stehen und virtuelle 3D-Modelle jederzeit im Internet verfügbar sind?

Ich muss ehrlich gestehen dass ich von dem aktuellen Hype mit 3D-Druckern nicht sehr viel halte. Rapid Prototyping gibt es schon eine Ewigkeit in der Industrie. Ich frage mich nur, wozu das im privaten Bereich nötig sein soll solange das verwendete Material nicht alltagstauglich, belastbar und funktionell ist.

Zum Schluss wüsste ich gern, was Dein Alleinstellungsmerkmal ist. Was machst Du anders als andere 3D-Experten? Warum muss ein Projektgeber unbedingt Dich mit einem Projekt beauftragen?

Ich würde sagen, dass man das nicht unbedingt generalisieren kann. Es gibt viele extrem talentierte 3D Artists weltweit. Was für einen Projektgeber immer wichtig ist, ist vor allem das Endprodukt, gute Kommunikation und letztendlich der Preis. Ein guter 3D-Artist sollte in der Lage sein das Projekt dem zur Verfügung stehenden Budget anzupassen. Das heißt die Qualität und somit den Detailgrad bestmöglich hoch zu halten und gleichzeitig Abstriche zu machen, wo es nicht so sehr auffällt. Ein Balanceakt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Christian-DallingerWillst Du mehr über Christian Dallinger erfahren?

Hier geht es zu seinem Profil auf der 3D-Union: http://www.3d-union.com/C3D