Versandhandel im Umbruch: Löst die 3D-Visualisierung das Foto bald vollständig ab?

Ansprechende Produktbilder sind speziell im Versandhandel von großer Bedeutung. Dadurch, dass potenzielle Kunden die Produkte lediglich im Katalog oder im Online-Shop betrachten können – und nicht „live“ in einem Geschäft –, ist es von besonderer Bedeutung, dass die angebotenen Produkte umfassend und professionell abgebildet werden.

Die 3D-Visualisierung ermöglicht seit einigen Jahren eine Produktvisualisierung, die nicht nur besonders exakt ist, sondern auch zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Unter anderem im technischen Bereich ist die 3D-Visualisierung einsetzbar: Ist ein 3D-Modell eines technischen Objekts – beispielsweise ein Handy – erstellt, kann es beliebig gedreht und somit aus allen Perspektiven gezeigt werden. Bis ins kleinste Detail kann der Online-Käufer das Produkt ansehen, was ihn wiederum bei der Kaufentscheidung unterstützt. Dass das Foto jedoch noch lange nicht ausgedient hat, betont Heiko Loy, Pressesprecher des Elektronik-Versandhandels Pearl: „Wir sehen die 3D-Produktansichten im Pearl-Onlineshop als sinnvolle Ergänzung zu den Produktbildern. Ablösen werden 3D-Produktanimationen Produktfotos aus unserer Sicht vorerst nicht.“

Auch beim BAUR Versand will man nicht auf Fotos verzichten, wenngleich die 3D-Visualisierung ihre Vorteile hat. Manfred Gawlas, Leiter Unternehmenskommunikation und Pressesprecher von BAUR Versand, erklärt, weshalb das Foto für einen Versandhandel weiterhin von Bedeutung ist: „Fotos sind unverändert unverzichtbar. Das gilt insbesondere für Online-Anbieter wie BAUR, die ihren Kundinnen und Kunden eine Auswahl aus mehreren zehntausenden Produkten unterschiedlichster Warengruppen bietet. 3D-Visualisierungen sind beispielsweise im Bereich der Möbel eine interessante Option – vor allem für so genannte Durchläufer, die über einen längeren Zeitraum im Sortiment verbleiben. Für Saisonware hingegen sind 3D-Visualisierungen aktuell kaum rentabel in die Produktpräsentation einzugliedern.“

3D-Visualisierungen im Möbel-Versandhandel

3D-Visualisierung oder Foto? 3D-Visualisierung: © Andreas Mueller - Fotolia.com

3D-Visualisierung oder Foto? 3D-Visualisierung: © Andreas Mueller – Fotolia.com

Besondere Bedeutung kommt jedoch der 3D-Visualisierung von Möbeln und Räumen zu. Diese Funktion ist unter anderem für die Gestaltung von Innenräumen interessant – und somit für Online-Shops, die sich auf Möbel spezialisiert haben. Änderungen der Möbelpositionen, der Farben von Wänden und Möbeln sind mit nur wenigen Klicks realisiert. Ist eine 3D-Visualisierung einmal erstellt, spart sie in den folgenden Schritten enorm Zeit.

Sebastian Glotzbach, 3D-Experte der Bochumer Medienagentur Octopus, schätzt die Möglichkeiten, welche die 3D-Visualisierung bietet: „Im Bereich des Produktdesigns, des Transportationdesigns und der Architektur hat man durch die 3D-Visualisierung ganz klare Vorteile. Zum einen können Objekte, welche bisher nur im Kopf existierten, visualisiert werden, was in der Fotografie logischerweise nicht möglich ist. Zum anderen ist die 3D Visualisierung zeitsparender und somit günstiger. Hat man einmal ein Szenario erstellt, z.B. eine Fabrikhalle oder ein Autohaus, kann man die zu präsentierenden Objekte darin mit wenigen Klicks austauschen. Genauso verhält es sich mit der Ausleuchtung der Szenen. Die Möglichkeiten hierbei sind äußerst vielfältig. Zum Beispiel können physikalische Effekte eingesetzt werden, die den Stand der Sonne, Jahreszeiten und Orte simulieren. Auch verschiedene Leuchtmittel wie IES Lightning, Flächenlichter und Punktlichter können mit dieser Technik zum Einsatz kommen. Im Bereich der Architektur/Interior lassen sich Räume ganz einfach so gestalten, wie es der Kunde gerne hätte (Möbel, Raumaufteilung, Farben, Texturen), es sich jedoch nicht immer vorstellen kann. Das wirkt natürlich verkaufsfördernd.“

Interview mit Andreas Fülscher, 3D-Experte der 3D-Union

Schnuller. 3D-Visualisierung von Andreas Fülscher, 3D-Experte.

3D-Visualisierungen im Versandhandel sind gefragt, auch im Versandhandel für Baby-Artikel. 3D-Visualisierung von Andreas Fülscher, 3D-Experte.

Lösen 3D-Visualisierungen im Versand- und Onlinehandel das Produktfoto bald vollständig ab?

Die Entwicklung in der Echtzeitvisualisierung ist in den letzten Jahren schnell gewachsen. Durch immer bessere Echtzeitvisualisierungstools können hochwertige Bilder in sehr kurzer Zeit produziert werden, auch von Designern, die eher vor klassischer komplexer 3D-Software zurückschrecken. Die Preise der Produkte sind in den letzten Jahren gesunken und die Lernkurve der meisten Pakete steil, so dass sich auch reine Fotografen zunehmend mit der Technologie auseinandersetzen. 3D-Visualisierungen sind längst in unserem Alltag allgegenwärtig. Spätestens wenn sich die komplette Datenaufbereitung in den Echtzeitvisualisierungstools bewerkstelligen lässt, wird hier der Anteil nochmals deutlich ansteigen und die klassische Fotografie wird weiter ins Hintertreffen geraten. Es häufen sich Anfragen von Fotografen, ob man bestimmte Projekte nicht schneller in 3D visualisieren kann, weil der Aufwand für die Fotografie zu hoch wäre.

In welchen Produktkategorien setzen sich 3D-Visualisierungen zunehmend durch?

Wir verdanken natürlich einen Großteil der Autoindustrie für die rasante Entwicklung in der 3D-Branche. Längst lassen sich Werbekampagnen von Autos nicht mehr zwischen CGI und Realität unterscheiden. Ein Großteil wird schon in CGI realisiert. Sobald ein Hersteller 3D-Datensätze seiner Produkte zur Verfügung stellen kann, lohnt sich natürlich die Überlegung, von klassischer Fotografie auf die 3D-Visualisierung umzusteigen, weil hier die Vorteile überwiegen.

Ein einmal erstelltes Lichtsetup im 3D-Tool lässt sich auch nach längerer Zeit wieder einladen und muss nicht erst mühsam neu aufgebaut werden. Viele Hersteller von Elektrowerkzeugen, Kameras, Fernsehern und Mobiltelefonen lassen Ihre Produkte nicht mehr fotografieren sondern gleich rendern. Seien es Lichtanpassungen, Materialänderungen, Perspektivanpassungen oder anschließende Animationen. Das ist ein beachtlicher Mehrwert, den die klassische Fotografie nicht bedienen kann.

In welchen Produktkategorien sind Fotos immer noch unverzichtbar?

Generell ist kaum ein Produkt nicht in CGI zu realisieren. Wann bringt es keinen Mehrwert mehr, ein Produktfoto am Rechner entstehen zu lassen? Als Erstes fällt mir hier generell Kleidung ein. Sicherlich lässt sich dies auch mit speziellen Tools realisieren, aber der Aufwand und die Simulation der Stoffe wären hier für die Serienproduktion noch etwas zu teuer. Aber die Zeit wird es zeigen. Und ein gerendertes Schweinefilet habe ich, glaube ich zumindest, noch nicht in der Werbung gesehen. Aber 3D-Scanner stehen hoch im Kurs, dass so mancher Fotograf auf neue kreative Lösungen für ein perfektes Foto kommt.

Zur Person Andreas Fülscher

Andreas Fülscher verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich der 3D-Visualisierung. Nach zwei Jahren in der Autovisualisierung und zwei Jahren in der klassischen Werbung als 3D-Artist hat sich Andreas Fülscher in den Bereichen Industrie und Medizin spezialisiert. Darüber hinaus bietet er Schulungen für Fotografen an, die in den CGI-Bereich einsteigen möchten.

Hier geht es zum Profil von Andreas Fülscher:

http://www.3d-union.com/A.Fuelscher

Quellen und weitere Informationen:

http://www.bevh.org/presse/pressemitteilungen/details/datum/2014/februar/artikel/ergebnisse-der-bvh-b2c-studie-2013-liegen-vor-interaktiver-handel-2013-massive-umsatzsteigerungen/

https://www.advertising.de/blog/google-studie-luxury-fashion-online.html

http://ecommerce-news-magazin.de/software/produktvisualisierung-viele-moeglichkeiten-durch-3d-visualisierung/